Wir brauchen überwachungsfreie Bezahlalternativen

Im vergangenen Sommer war ich in London. Am Flughafen angekommen, hob ich erst einmal 100 Pfund ab. Ab diesem Zeitpunkt stand ich vor dem Problem, dass die niemand haben wollte. Seit meinem letzten London-Trip, der länger zurücklag, hatte die Stadt auf bargeldloses Bezahlen umgestellt. Irgendwie wurde ich das Geld noch los. Aber dafür musste ich ständig notlügen, dass die Kreditkarte auf meinem Smartphone sei, dessen Akku aber gerade leer sei.

In Deutschland wiederum ist es für Fans des bargeldlosen Bezahlens oft schwierig, die Kreditkarte zu nutzen. Viele Restaurants und Geschäfte wollen lieber Bargeld – etwa weil sie ihre geringe Marge nicht auch noch mit den Kreditkartenunternehmen teilen wollen oder weil das Finanzamt dann nicht so genau hinschauen kann.

Dabei verspricht das Narrativ hinter dem digitalen Bezahlen vor allem eines: Bequemlichkeit. Immer Geld in der Tasche, kein lästiges Wechselgeld mehr, alles ist hygienischer und teilweise muss man sogar erst in der Zukunft bezahlen.

Allerdings gibt es ein kleines Problem: Wir machen uns dabei von den Unternehmen abhängig, über deren Infrastrukturen die Bezahlvorgänge ablaufen. Waren es früher nur die EC- und Kreditkarten der Banken, sind inzwischen PayPal, Google und Apple als Anbieter hinzugekommen. Andere Startups drängen ebenfalls auf diesen Markt. Aber letztendlich läuft es darauf hinaus, dass Apple und Google irgendwann die großen verbleibenden Gatekeeper sind. Wozu brauche ich noch eine Kreditkarte, wenn ich die eh in mein Smartphone integriere und meine Smartwatch an ein Terminal halten kann?

Alles glitzert so schön – und überdeckt die vielen Tracker im Hintergrund

Die Welt des Überwachungskapitalismus glitzert so schön und alles klingt verheißungsvoll nach Zukunft. Aber wo genau liegt der Mehrwert gegenüber dem Bargeld-Status-quo, wenn beim Einkaufen möglichst viele Unternehmen davon erfahren, was ich wo kaufe? Diese Unternehmen verarbeiten die Daten ohne meine bewusste Einwilligung. Dabei rastern sie mich ständig mit dem Ziel, mir Werbung anzuzeigen oder mir noch mehr Produkte verkaufen zu können.

Was also bleibt außer der Bequemlichkeit – zumal die rasch endet, wenn das Terminal auf Verkäuferseite mal wieder keinen Strom hat, Updates fährt oder das WLAN ausgefallen ist?

Anhänger:innen von Kryptowährungen glauben, dass Bitcoin, Ether oder was sonst gerade „der heiße Scheiß“ sein soll, die Lösung schlechthin versprechen. Ich bin von Kryptowährungen wenig überzeugt. Die gewaltigen Probleme und Herausforderungen, die diese mit sich bringen, sind hinlänglich bekannt. Ich bin auch entspannter, wenn ich morgens weiß, dass ein Euro eben ein Euro wert sind und der Währungskurs über Nacht nicht mal wieder um ein Drittel eingebrochen ist.

Und ich möchte weiterhin auch mit Bargeld bezahlen können. Manchmal möchte ich einfach nicht, dass meine Einkäufe gegen mich verwertet werden können. Wird meine Krankenversicherung irgendwann den Kauf eines Schokoriegels als Gesundheitsrisiko verbuchen? Wir wissen es nicht. Aber ausschließen lässt sich das leider nicht.

Wir brauchen überwachungsfreie Bezahlalternativen

Zugleich möchte ich aber auch die Wahlfreiheit haben, dort digital zu bezahlen, wo es für mich bequemer ist. Ich hab mir beispielsweise angewöhnt, ÖPNV-Tickets digital zu kaufen. Meist habe ich gerade nicht die passenden Münzen zur Hand und es muss schnell gehen. Dann springe ich in die U-Bahn, während ich mir gleichzeitig das Ticket erklicke.

Wieso aber gibt es häufig nur die Möglichkeit, beim städtischen Verkehrsunternehmen, das uns allen gehört, mit privaten Bezahldienstleistern zu bezahlen? Wo ist die überwachungskapitalistische Alternative – ohne Tracking, pseudonym oder gar anonym?

Der digitale Euro könnte so etwas werden. Eine Alternative zwischen der bunten Glitzerwelt der Fintechs, Banken und Tech-Konzerne auf der einen Seite und fiebrigen Kryptowährungsträumen auf der anderen. Das Vorhaben der EU-Kommission begreift digitales Geld im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Infrastruktur, ganz so wie es der Medienforscher Sebastian Gießmann mir im Netzpolitik-Podcast beschrieben hat. Zumindest dann, wenn diese aufzubauende Infrastruktur nicht dazu missbraucht wird, die Überwachung weiter auszubauen.

Fest steht: Am Ende brauchen wir Lösungen, die Vertrauen schaffen, die niemanden ausschließen und die uns unabhängig von Konzernen machen. Die Zeit ist reif, und die Debatte läuft. Wir müssen jetzt unsere Wünsche artikulieren. Ein besseres digitales Bezahlsystem ist notwendig und möglich.

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