Etwas Aufbruch beim Digitalgipfel – aber eines bleibt beim Alten

Im vergangenen Jahr fand der erste Digitalgipfel der Ampel-Koalition statt und geriet zum Debakel. Die Koalition war angetreten, um vieles anders zu machen. Unter anderem wollte sie die digitale Zivilgesellschaft mehr einzubinden. Der Digitalgipfel wurde zum Lackmusttest.

Doch im letzten Jahr gab es kaum Vertreter:innen der digitalen Zivilgesellschaft auf den Panels. Die Minister:innen diskutierten stattdessen weiterhin nur mit geförderten Wissenschaftler:innen und Industrievertreter:innen – und das meist vor leeren Stuhlreihen. Schnell war klar, dass es nicht so weitergehen konnte, wie in den 16 Jahren zuvor unter Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Diese Kritik wurde jetzt erhört und das muss man auch anerkennen. Das in diesem Jahr federführende Wirtschaftsministerium nahm Kontakt zur digitalen Zivilgesellschaft auf und zeigte sich zumindest bemüht, diese in diesem Jahr stärker einzubeziehen.

Es droht ein Beteiligungstheater

In den kommenden zwei Tagen gibt es es jetzt so viele WorldCafes und Fishbowl-Formate, dass man schon fast ein Beteiligungstheater befürchten muss, bei dem es nicht so sehr um Dialog im Sinne des Zuhörens und Verstehens geht, sondern um eine Kommunikationsmaßnahme. Dennoch: Es sind zum ersten Mal zivilgesellschaftliche Vertreter:innen auf den meisten Panels dabei – auch wenn man aus der Zivilgesellschaft hört, dass der Ablauf dieser Veranstaltungen von Seiten der Ministerien minutiös durchgeplant wird.

Ein aufmerksamer Blick ins Programm zeigt dann aber, dass eines wie immer abläuft. Es gibt eine komplexe Struktur im Hintergrund dieses Gipfels, die aus acht „Plattformen“ besteht. Hier vernetzen sich Vertreter:innen der beteiligten Ministerien fast ausschließlich mit Industrielobbyist:innen und planen gemeinsam die zentralen Debatten und Themen des Gipfels.

Aus der Zivilgesellschaft kann es sich nur Wikimedia Deutschland leisten, Vertreter:innen auf eine „Plattform“ zu schicken. Wikimedia evaluiert diese Aktivität derzeit aber, weil unklar ist, ob sich der Zeiteinsatz überhaupt lohnt. Für Unternehmen und ihrer Lobbyverbände ist das hingegen praktische politische Landschaftspflege. Sie haben dafür  teilweise sogar Stellen geschaffen, weil sie so leichten Zugang zu Ministeriumsvertreter:innen bekommen.

Eines wird sich wahrscheinlich nie ändern

Diese „Plattformen“ sollen mitentscheiden dürfen, wer auf dem Gipfel zu welchen Themen auf welchen Podien sitzt. Wie das genau abläuft, ist nicht einsehbar. Ebenso intransparent ist auch das Mittagessen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Leitern der „Plattformen“ am zweiten Tag des Digitalgipfels  hinter verschlossenen Türen. Die Zivilgesellschaft ist nicht dabei. Sie fehlt auch auf dem Abschlusspanel, wo Olaf Scholz wieder nur mit Industrievertreter:innen spricht. Da bleibt das Kanzleramt in der Tradition von 16 Jahren Merkel.

Es ist ein zarter Aufbruch einer Bundesregierung in ihre zweite Legislaturhälfte, die bisher in digitalpolitischen Fragen nur weitgehend enttäuscht hat. Aber es sollte auch klar sein: Wir brauchen nicht nur einen symbolischen Digitalgipfel einmal im Jahr, sondern müssen kontinuierlich über die Gestaltung der digitalen Welt diskutieren und sie verhandeln – und das nicht nur hinter verschlossenen Türen mit Industrievertreter:innen, sondern mit der ganzen Gesellschaft.

Denn: Eine bessere digitale Welt ist möglich.